"Heinrich und Leyla"
Sinfonische Bilder für das Kammerorchester von Khadija Zeynalova
Die Heinrich und Leyla-Initiative zielt darauf ab, interkulturelles Verständnis und Frieden durch Liebe und Musik zu fördern. Khadija Zeynalova, die sich selbst als Brückenbauerin zwischen Kulturen, Religionen und Nationen beschreibt, findet Inspiration und Bereicherung im Dialog verschiedener Geschichten und Traditionen. In ihrem sinfonischen Werk "Heinrich und Leyla," einer Komposition für Kammerorchester, erweckt die deutsch- aserbaidschanische Komponistin eine kraftvolle Geschichte von Liebe und Widerstandskraft zum Leben, die vor dem Hintergrund historischer Ereignisse spielt.
Mit dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion im Juni 1941 änderte sich die Situation der Deutschen in Aserbaidschan. Das sowjetische Staatskomitee beschloss im Oktober des gleichen Jahres einen Erlass, um die deutsche Bevölkerung der Kaukasus-Region, die man nun als Spione und Verräter bezeichnete, in die Kasachische Sozialistische Sowjetrepublik umzusiedeln. Noch im gleichen Monat wurden die Deutschen ihrer Lebensgrundlage beraubt, zwangsumgesiedelt und Arbeitskolonnen zugeteilt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion um 1990 sind viele von ihnen nach Deutschland ausgewandert oder zogen in die Hauptstadt Baku. Heute noch sind in Göygöl einige Weinkeller und in Shamkir von Deutschen gebaute Straßen und Kirchen erhalten. Dort wurde auch vor einigen Jahren das German Heritage Center gegründet.
Auch Heinrich und Leyla, ein 16-jähriger Deutscher und eine gleichaltrige Aserbaidschanerin, die sich in Annenfeld kennengelernt und ineinander verliebt hatten, werden 1941 durch die Zwangsumsiedlung getrennt. Heinrich muss nach Kasachstan, Leyla bleibt zurück. Doch Heinrich flüchtet und nimmt den weiten und schwierigen Weg zurück nach Aserbaidschan auf sich, um seine große Liebe wiederzusehen. Entkräftet und verletzt erreicht er Annenfeld, wo Leyla auf ihn gewartet hat. Beide wollen heiraten. Doch die sowjetischen Soldaten nehmen den Deserteur und auch Leyla fest und richten sie hin.
Ob sich diese Liebesgeschichte wirklich so zugetragen hat oder als Legende mündlich immer weitergetragen wird, spielt keine Rolle. Der aserbaidschanische Dichter Amir Pahlavan hat sie vor einigen Jahren aufgeschrieben, sie Heinrich und Leyla betitelt und der Komponistin Khadija Zeynalova gegeben.
Amir Pahlavan kannte sie noch aus früheren Zeiten: „Als ich in Aserbaidschan war, habe ich viele Dichter, Dramaturgen und Literaten kennengelernt und mit ihnen zusammengearbeitet.“ Die Dramatik um eine Liebe in Zeiten des Krieges hat sie sofort fasziniert. „Die Geschichte von Heinrich und Leyla, einem Liebespaar in Zeiten von Stalins Repressionen, hat mich sehr berührt.“
Nach langem Überlegen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich dieses Projekt mit meinem Ensemble Bridge of Sound umsetzen werde.“ Bei diesem 2017 von Zeynalova gegründeten Kammerorchester spielen Musiker aus verschiedenen Kulturen mit. „Das interkulturelle Ensemble Bridge of Sound verkörpert und interpretiert auf unkonventionelle Weise eine der schönsten und ältesten Aufgaben der Musik: Brücken zu bauen.“
Die musikalische Umsetzung von Heinrich und Leyla erfolgte in Form eines großen Zyklus: „Ich habe die sinfonischen Bilder für eine kleine Kammerorchesterbesetzung komponiert.
Die Komposition beinhaltet zwölf Sätze, in denen die Geschichte musikalisch dargestellt wird: Liebesthema, Repressionen, Abschied, Leylas Klagelieder, die Vertreibung in die Steppe Kasachstans und Heinrichs Entschluss, zu seiner Geliebten zurückzukehren.“
Entstanden ist ein musikalischer Brückenschlag zwischen Deutschland und Aserbaidschan, zwischen Okzident und Orient.
Musikalisch prägend für alle Kompositionen Zeynalovas ist die reiche musikalische Tradition Aserbaidschans und hier vor allem der Mugam. „Die Mugam-Musik ist eine sehr berühmte und bekannte mündlich tradierte Volksmusik.
Sie ist der wichtigste Teil des Erbes der professionellen musikalischen Kultur Aserbaidschans und mit ihrer kulturellen Tradition tief verwurzelt. In meiner Musik gibt es viele Klänge aus der Mugam-Musik meiner Heimat. Ich liebe es wirklich, seine Mikrointervalle mit zeitgenössischen Kompositionstechniken zu verbinden, obwohl der Kompositionsvorgang unbewusst ist.
Ich mache das nicht absichtlich, aber diese typischen Harmonien und die Mikrointervalle stecken in meinem Blut einfach drin. Wahrscheinlich ist es das, was meiner Musik eine persönliche Note gibt.“
Initiiert wurde das Heinrich-und-Leyla-Projekt als Kompositionsauftrag des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zum 70. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und gleichzeitig zum 200. Jahrestag der Ankunft deutscher Siedler in Aserbaidschan.
Die Komposition wurde seitdem in vielen Veranstaltungsorten in ganz Deutschland aufgeführt, und das Ensemble hat sie auch als CD-Aufnahme veröffentlicht.